Am 10. September 2013 wurden drei Leute aus Wien nach Ungarn abgeschoben. Einige Leute versuchten vergeblich das Abschiebefahrzeug zu blockieren. Am Abend fand eine Demonstration statt - 10 Monate nach dem Beginn der Flüchtlingsbewegung in Wien. Was hat sich seither geändert? Ein Bericht über Abschiebezentren und Widerstand - und kein Ende in Sicht.
Es ist 10 Monate her: Am :: 10. November 2012 fand in Wien eine Demonstration zur Unterstützung der Flüchtlingsproteste quer durch Europa statt. Überraschend beteiligten sich mehr als 100 Flüchtlinge aus der Erstaufnahmestelle Traiskirchen und berichteten über die Zustände dort im Lager. Eine Forderung, die in der Folge noch oft die Straßen Wiens beschallte war an diesem Tag laut und deutlich zu vernehmen: 'We need our rights'.
Zwei Wochen später, am :: 24. November, zogen zahlreiche Flüchtlinge über die Landstraßen aus Traiskirchen nach Wien, wo sie von einer großem Demo willkommen geheißen wurden. Im Votivpark wurde ein Protestcamp errichtet und die Flüchtlinge stellten von Anfang an klar: 'Wir werden unsere Aktionen solange fortsetzen, bis unsere Stimmen gehört, und unsere Forderungen erfüllt sind.'
Unter den Unterstützer_innen fanden sich nur wenige, die damals daran dachten, dass die Proteste zehn Monate oder länger dauern können, doch sie finden weiterhin statt. Von Politiker_innen und Behörden gibt es nach wie vor kein Entgegenkommen, es gibt weder individuelle Lösungen geschweige denn kollektive eine kollektive Verleihung von Aufenthaltstiteln. Statt dessen wurden zahlreiche Asylverfahren negativ entschieden - teilweise ohne dass die betroffenen Leute die Möglichkeit eines Interviews hatten, zahlreiche Einsprüche sind nach wie vor offen. Für acht Leute gab es massive Konsequenzen: Sieben von ihnen wurden am :: 30. Juli 2013 nach Pakistan und eine Person nach Ungarn abgeschoben.
Es gab zahlreiche Proteste, um die Abschiebungen zu verhindern, jedoch ohne Erfolg. Doch die Proteste gehen weiter. Das Servitenkloster wird von zahlreichen Flüchtlingen aus der Protestbewegung als Wohnort und für die Bewegung als Treffpunkt genutzt. Allerdings wollen Caritas bzw. Kirche dies mit Ende Oktober beenden. Wie es dann weiter geht und wo die Leute eine Unterkunft finden, ist nach wie vor unklar und auch vom Ausgang der Gespräche mit den zuständigen Krichenvertreter_innen abhängig. Vorerst gibt es weiterhin Treffen und Veranstaltungen im Kloster in der Müllnergasse 6 im 9. Wiener Bezirk - und Leute sind aufgerufen vorbeizukommen und die Flüchtlinge zu unterstützen.
Die Proteste auf der Straße gehen ebenfalls weiter. Nachdem in Folge der Abschiebungen Demonstrationen mit mehr als 1000 Teilnehmer_innen stattfanden, sind die Demos in den vergangenen Wochen wieder kleiner geworden. Zuletzt demonstrierten am 10. September 80 bis 100 Leute vom Schubhäfn Rossauerlände zu Abschiebezentrum in der Nussdorferstraße. Diese Demonstration fand exakt 10 Monate nach der oben genannten Demonstration am 10. November 2012 statt, die als Beginn der Proteste angesehen werden kann. Es sollte aber nicht vergessen werden zu erwähnen, dass es immer Proteste gegen die rassistischen Gesetze, gegen die miserablen Bedingungen in den Unterkünften für Flüchtlinge, gegen Schubhaft und Abschiebungen gegeben hat und weiterhin gibt.
Die Demonstration war trotz der geringen Teilnehmer_innenzahl lautstark und protestierte gegen Ausgrenzung und gegen Abschiebungen. Slogans wie "What we want: Our right! All we need: Our rights", oder "No border. No nation. Stop deportation!" beschallte immer wieder die Straßen. Außerdem wurde die nächste :: Demonstration am 20. September 2013 beworben.
Blockade gegen Abschiebungen
Es gibt immer wieder direkte Aktionen gegen Abschiebungen. Am 10. September 2013 wurden zumindest drei Leute im Zuge des :: Dublin 2 Verfahrens :: nach Ungarn abgeschoben. Frühmorgens versammelten sich einige Aktivist_innen vor dem Schubhäfn Hernalser Gürtel. Gegen 8 Uhr Morgens wollte ein Polizeibus mit einer von der Abschiebung bedrohten Person das Gefangenenhaus verlassen, wurde aber von fünf Personen mit einer Sitzblockade daran gehindert. Kurze Zeit später wurde die Blockade von Sondereinheiten der WEGA gewaltvoll aufgelöst. Drei Leute, die die Identitätsfeststellung verweigerten, wurden kurzzeitig festgenommen. Es ist beachtenswert, dass diese Abschiebung aufgrund der Intervention einer handvoll Leute nicht reibungslos und im Stillen stattfinden konnte. In einem :: Kurzbericht auf de.indymedia.org über diese Aktion ist zu lesen: "jede intervention in rassistische, gewaltvolle, repressive strukturen ist sand im getriebe!"
Abschiebungen wie diese sind keine Einzelfälle, denn täglich werden von der Polizei Leute unter Anwendung von "Zwangsgewalt" außer Landes geschafft. Um die Abschiebungen routinemäßig durchführen zu können, werden die Kapazitäten der Abschiebegefängnisse permanent ausgebaut. Neben den Schubhäfn an der Rossauer Lände 7-9 und am Hernalser Gürtel 6-12 gibt es in Wien zwei weitere Abschiebezentren.
Abschiebezentren, "humaner Vollzug" und "gelindere Mittel"
Im ehemaligen Kardinal König Integrationshaus in Wien Simmering wurde Ende 2010 unter dem Tarnnamen "Familienunterkunft Zinnergasse" ein Abschiebegefängnis eingerichtet. Die :: Zinnergasse 29A soll die Funktion eines Gefängnisses ausüben, ohne wie eines auszusehen. Es wurde als Reaktion auf die Proteste gegen die Abschiebungen von Kindern eingerichtet, nachdem Aufnahmen in die Medien gelangten, auf denen zu sehen ist, wie frühmorgens schwer bewaffneten Spezialeinheiten das Quartier einer Flüchtlingsfamilie eindrangen, um diese zu verhaften und in der Folge abzuschieben. Da in Österreich offiziell keine Kinder in Schubhaft genommen werden - obwohl ständig Fälle von Kindern in Schubhaft bekannt werden - musste sich das Innenministerium rechtfertigen. Immer wieder wird erwähnt, dass alles "menschenrechtskonform" abläuft. Und oft hat es dann Anschein, als würden die zuständigen Politiker_innen und Beamt_innen tatsächlich denken, gewaltsam durchgeführte Abschiebungen seien "human" - was ohne Zweifel mit ihrem rassistischen Weltbild vereinbar ist.
Ein weiteres Abschiebezentrum wurde im März 2012 in der :: Nussdorfer Straße 23 eingerichtet. DAs dritte Stockwerk des ehemaligen Integrationsheimes dient seither als Ort zur Vollzug des "gelinderen Mittels", das alternativ zur Schubhaft verhängt werden kann. Die Leute, die dort einquartiert werden, stehen kurz vor der Ausweisung und werden unter Druck gesetzt, damit sie "freiwillig" ausreisen. Sie wohnen in Fünf- oder Sechsbettkammern und müssen sich täglich bei der Polizei melden. Offensichtliches Ziel ist, Menschen möglichst schnell abzuschieben.
Die drei am 10. November 2013 abgeschobenen Leute waren zuvor in der Nussdorfer Straße untergebracht und zwei Tage vor der Abschiebung verhaftet und in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel, das als Abschiebegefängnis dient, gebracht. Die Polizei kam dazu mindestens drei mal in die Nussdorfer Straße, um Leute abzuholen - eine gängige Praxis, die fast immer ohne Aufsehen vor sich geht. Für die Flüchtlinge führt dies dazu, dass sie unter ständiger Angst leben, abgeschoben zu werden - was von den Behörden durchaus beabsichtigt ist, wollen sie doch die Leute dazu bewegen, dass sie "freiwillig" ausreisen.
Eine weitere Haftanstalt in :: Vordernberg, Steiermark wird in Kürze in Betrieb genommen. Laut offiziellen Informationen ist dort u.a. die Anhaltung von Familien mit Kindern geplant. In einem Infofolder über das "internationale Vorzeigeprojekt" an die lokale Bevölkerung informierte das Innenministerium über "die Schaffung einer hochmodernen Einrichtung, die einen humanen und qualitativ hochwertigen Vollzug der Schubhaft ermöglicht". Denn, so wird ausgeführt: "Die Anforderungen an den Vollzug von Abschiebungen haben sich verändert. Die historisch gewachsenen Polizeianhaltezentren, in denen zur Zeit die Schubhaft vollzogen wird, erfüllen die neuen modernen Rückführungsstandards nicht im vollen Ausmaß."
Eigentliches Ziel dürfte sein, Abschiebungen "effizienter" durchführen zu können und mehr Kapazitäten für den Vollzug der Schubhaft zu schaffen. Und damit ist Österreich nicht alleine, denn überall in und rund um Europa wurde die Haftdauer in den vergangenen Jahren verlängert und es entstehen mehr und mehr Haftanstalten zur Internierung von Migrant_innen und Flüchtlingen. Migreurop dokumentiert dies seit einigen Jahren auf einer kommentierten Karte, in der die unterschiedlichen Lager und Haftanstalten eingezeichnet sind, zu finden auf :: migreurop.org.
Eine symbolische Blockade
Am Vormittag des 11. September 2013 blockierten drei Aktivist_innen die Zufahrt zum Innenministerium in der Wiener Herrengasse. Nach etwa einer Stunde wurde diese Aktion von der Polizei beendet - und die an den Gitterfenstern im Erdgeschoß fixierte Kette abgeschnitten, wie :: der Standard berichtete. Die Aktion richtete sich gegen "ÖVP-Hetz-Innenministerin" Johanna Mikl-Leitner und das Vorgehen der Behörden gegen die Flüchtlinge im Servitenkloster.
Die Proteste gehen weiter...
... bis unsere Stimmen gehört, und unsere Forderungen erfüllt sind.
Wie bereits erwähnt sind solidarische Menschen eingeladen und aufgerufen, ins Servitenkloster in der Müllnergasse 6 in Wien zu kommen. Dort ist es möglich, mit den seit 10 Monaten protestierenden Flüchtlingen direkt in Kontakt zu kommen und sich aktiv zu beteiligen.
Die nächste :: Demonstration am 20. September 2013 soll wieder größer werden. Deshalb wird seit längerem dafür mobilisiert. Sie startet um 16 Uhr beim :: Marcus Omofuma Stein (Ecke Mariahilfer Straße / Museumsquartier (U2)), die Schlusskundgebung samt kreativer Aktionen ist um 18.30 Uhr vor dem Abschiebegefängnis Rossauer Lände.
Die zentrale Kritik der Flüchtlinge ist, dass es von Seiten der Politiker_innen kein Entgegenkommen gibt und sich absolut nichts geändert hat. Weder in den diversen Lagern, noch in den Verfahren selbst hat sich was im positiven Sinn getan, die rechtliche Situation der an den Protesten beteiligten Flüchtlinge hat sich nicht verbessert. Gerade im Gegenteil, wurden doch zahlreiche Verfahren negativ entschieden und befinden sich derzeit in Berufung. In einigen Fällen wurden auch die Einsprüche negativ entschieden. Ende Juli wurden acht Leute abgeschoben und ein paar weitere sind akut von Abschiebung bedroht.
Die Forderungen der Flüchtlinge aus dem Servitenkloster lauten nach wie vor:
1. Ein legaler Aufenthaltsstatus. Wir können nicht in unsere Heimatländer zurück, denn Krieg, Terror und Hungersnöte haben uns zur Flucht gezwungen.
2. Falls Österreich nicht dazu bereit ist, so löscht wenigstens unsere Fingerabdrücke aus euren Datenbanken, damit wir in anderen Ländern Schutz suchen können.
S