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[ 06. Jan 2019 ]

Eereignisse im und ums Mittelmeer - Teil 15

Es gibt kein Contra zur Seenotrettung

Repression führt zu Widerstand. Die zivile Seenotrettung im zentralen Mittelmeer nimmt langsam aber sicher wieder Fahrt auf. Doch die Verantwortlichen des Massensterbens wollen nicht von ihrer Politik abweichen, wie u.a. die weitere Behinderung der Aquarius zeigt. Meldungen vom 12. bis 18. Oktober 2018.

 

Flucht aus Marokko: Harragas auf Suche nach Asyl in Spanien (12. Oktober 2018)


Die Zahl der Asylanträge von Menschen aus :: Marokko in :: Spanien ist im Steigen. Grund ist u.a. die Repression marokkanischer Behörden gegen Aktivist*innen. Ein Beispiel dafür sind Aktivist*innen der "Rif Bewegung" bzw. "Hirak Rif". Diese Protestbewegung entstand nach dem Tod des Fischers Mohcine Fikri am 28. Oktober 2016. Er hatte gegen die Beschlagnahmung von mehr als 500 kg Fisch protestiert und kletterte in den Müllwagen, mit dem die am lokalen Markt angeblich "illegal gehandelten Fische" abtransportiert werden sollten. Er wurde durch den aktivierten Müllzerkleinerer zermalmt. In der Folge war die populäre Rif-Bewegung zwischen Oktober 2016 and Juni 2017 in der Rif Region im Norden Marokkos aktiv, in der vor allem Berber-sprechende Menschen leben. Gefordert wurde u.a. der Respekt, der Erhal und Schutz der Identität der Berber*innen und ihrer Sprache am Rif, die Freilassung politischer Gefangener, Aufklärung des Todes von Mohcine Fikri und ein Prozess gegen die Verantwortlichen, eine Demilitarisierung der Rif Region, die Errichtung eines regionalen Spitals, einer Universität, Bibliothek, Theaters, Straßen und von Fischverarbeitungsanlagen. Ebenso wurde gegen die Errichtung von Tourismuseinrichtungen für den König und Grundstückspekulationen durch mit dem König befreundete Investor*innen und Korruption protestiert. Weiters forderten die Aktivist*innen die Klärung, wohin das versprochenes Geld für lokale Investitionen verschwindet.

Auf die Massenproteste wurden vom marokkanischen Regime mit massiver und gewalttätiger Repression gewantwortet. Es kam in mehreren Städten zu Zusammenstößen zwischen Protestierenden und Polizei und zur Verhaftung von mehr als 150 Aktivist*innen, die von den Behörden als "Anführer*innen" oder Medienaktivist*innen "identifiziert" wurden. Höhepunkt der Repression war im Juni 2017, rund um die Feierlichkeiten zum Ende des Rahmadan. Damals versuchten diverse Polizei- und Militäreinheiten größere Menschenansammlungen zu unterbinden - und gingen mit massiver Gewalt gegen die lokale Bevölkerung vor.

Amnesty International berichtet in seinem Jahresbericht über Marokko: "Hunderte Aktivisten wurden 2017 vor Gericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt, weil sie an Demonstrationen teilgenommen hatten, in denen es um soziale Fragen oder Umweltschutz ging. Ihnen wurden Verstöße gegen das Versammlungsrecht vorgeworfen. Gerichte machten Protestierenden aber auch auf Grundlage konstruierter Straftaten nach allgemeinem Recht den Prozess oder nutzten vage formulierte Bestimmungen, die sich auf die staatliche Sicherheit und Terrorismus bezogen."

Die Situation hat sich bisher nicht verbessert, was wohl Grund dafür ist, dass viele Leute versuchen, über die Straße von Gibraltar nach Spanien zu fliehen. Diese Flüchtenden werden auch "Harragas" genannt. Diese Bezeichung kommt aus dem Arabischen und bezeichnet heimlich Flüchtende bzw. "diejenigen, die (ihre Papiere) verbrennen". Die Berichte über Harragas häuften sich in den vergangenen Monaten - insbesondere mit der vermehrten Ankunft in Spanien, aber auch durch die vermehrte Abfangung auf dem Meer durch die marokkanische bzw. algerische Marine (siehe dazu weitere Berichte im :: Teil 14, :: Teil 13 und :: Teil 12 der Ereignisse im Mittelmeer).

Trotzdem gelangen immer wieder Harragas nach Spanien, doch nur wenigen wurde in der jüngsten Vergangenheit Asyl gewährt.


Demonstration in Al Hoceima am 4. Juni 2017. (:: Wikipedia)

Repression gegen Migrant*innen in Marokko

Doch nicht nur gegen Menschen, die versuchen aus Marokko zu fliehen, gibt es massive Repression. In den vergangenen Monaten (siehe :: Bericht vom Juli) kam es zu großangelegten Razzien gegen tausende Migrant*innen und Geflüchtete - samt Inhaftierungen und Abschiebungen vom Norden in den Süden Marokkos, teilweise in abgelegene Gebiete in der Wüste an der Grenze zu Algerien. Amnesty bezeichnete das Vorgehen der marokkanischen Behörden als schockierend und :: unrechtmäßig und forderte ein Ende dieses Vorgehens. Die Behörden rechtfertigen die Razzien und Abschiebungen mit dem "Kampf gegen irreguläre Migration" und behaupten, dass alles im Rahmen der Gesetze geschehe. Die Abschiebungen geschehen, um eine "starke Nachricht" an die Fluchthelfer*innen zu senden, die freilich entsprechend des rassistischen Sprachgebrauches als "human trafficers" bzw. "Schlepper*innen" bezeichnet werden.

:: thema: grenzregime marokko :: Amnesty Jahresbericht 2018 :: Hirak Rif @ Wikipedia :: GADEM @ Facebook :: FFM-ONLINE :: Yabiladi (12. Oct 2018)


Studierende in 50 italienischen Städten gegen Rassismus (12. Oktober 2018)



100.000 Studierenden gingen am 12. Oktober gegen Rassismus auf die Straßen. Proteste gab es u.a. in Rom, Turin, Neapel, Benevento, Mestre, Vicenza, usw. (Foto :: globalproject.info)


Protest von Studierenden in Padova am 12. Oktober 2018 (Foto :: globalproject.info)


Wir sind da! (12. Oktober 2018)


Die große Veranstaltung vom Samstag, den 6. Oktober 2018, in Palermo hat die Stadt mit 60 weiteren europäischen Städten durch ihren gemeinsamen Ruf verbunden: „Wir sind da!“

Denn zum Handeln muss man sich der eigenen Existenz bewusst sein. Und sie sind dabei: die NGOs SOS Méditerranée und Mediterranea – die große Menschenmenge auf der Piazza Politeama in Palermo bezeugt es. Die Demonstrant*Innen sind hier, um zuzuhören und um beiden Organisationen ihre Solidarität zuzusichern.

SOS Méditerranée ruft zur Unterzeichnung der Petition für das Schiff Aquarius auf, das immer noch im Hafen von Marseille blockiert ist, da ihm die Flagge entzogen wurde und es ohne Flagge nicht auslaufen kann.

Die Forderungen der Demo werden auch von Mediterranea unterstützt, ein neues Projekt, das die Migrationspolitik der letzten Monate bekämpft. Mediterranea ist keine „Aktion des moralischen Ungehorsams sondern des zivilen Gehorsams“.

Viele Gemeinsamkeiten vereinen die NGO mit anderen, doch zwei Eigenschaften stechen hervor: Mediterranea ist das erste Rettungsschiff, das unter italienischer Flagge fährt, und für welches sich verschiedene Stimmen einsetzen. Es haben sich unterschiedliche Organisationen und Einzelpersonen zusammengetan: religiöse und laizistische, soziale und kulturelle, gewerkschaftliche und politische.

Valeria Calandra, Präsidentin von SOS Méditerranée Italien, betont wiederholt, dass es sich hier um einen Appell an die Zivilgesellschaft handle, das heißt, an uns alle. Wir sollen uns der Situation in unserem Meer, dem Mittelmeer, bewusst werden und Verantwortung übernehmen.

Der :: Überraschungsbeitrag von Bürgermeister Leoluca Orlando will daran erinnern, dass eine Fahne mit dem Wappen der Stadt Palermo an Bord des Schiffes „Mare Ionio“ mitreist, zur Unterstützung und als Zeichen der „Stadt Palermo – Symbol für die Aufnahme – gestern und morgen“.

Zusammen mit den NGOs SOS Méditerranée und Mediterranea hat das Antirassistische Forum Palermo für die Befreiung des Bürgermeisters von Riace Domenico Lucano aufgerufen. Er steht sei dem 2. Oktober unter Hausarrest. Ihm wird vorgeworfen, illegale Immigration begünstigt zu haben.

Giulia Antonelli, Borderline Europe. Übersetzung aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé.

:: Borderline Sicilia (12. Oct 2018)


Des-Integration (12. Oktober 2018)


In der letzten Woche ist in Italien das :: Sicherheitsdekret in Kraft getreten, das nun in ein Gesetz umgewandelt werden muss. Das Dekret greift das Schutzrecht an, es treibt tausende Menschen, die in diesem Land bereits ein neues Leben angefangen hatten, in die Rechtswidrigkeit. Das Sicherheitsgesetz desintegriert das italienische Aufnahmesystem, das System, das trotz all seiner Fehler, einheitlich und nachhaltig war. Es war immer noch besser als das Notstandsgesetz, also die Schutzzentren für Asylantragsteller*innen und Geflüchtete, das heißt die SPRAR*.

Das System wurde desintegriert, damit wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, all das zu zerstören, was gut hätte funktionieren können. Zudem hat die Regierung entschieden, die italienische Aufnahme ins Mittelalter zurückzuversetzen. Zurück zu dem System, das Gerichtsprozesse wie die der Mafia capitale (Hauptstadt Mafia) und Fälle der schlechten Aufnahme von Geflüchteten initiiert hat, die wir seit Jahren anklagen. Es ist eine feige und erkennungsdienstliche Aktion, die die Rechte der Asylantragsteller*innen und die der Menschen, die im Bereich Migration arbeiten, mit Füßen tritt. Eine Aktion von der nur Mafiosi und Spekulant*innen profitieren.

Die Vorgängerregierung hat damit begonnen, die Menschen in der libyschen Hölle festzuhalten oder noch vorher, in der Wüste. Nun ist das Meer, wie nie zuvor, ein Friedhof unter freiem Himmel, dessen wahre Ausmaße wir nicht kennen. Wir wissen lediglich, dass die Sterberate im September 20% erreicht hat. Eine Katastrophe, :: die mehr als acht Tote am Tag fordert.

Da man mit dieser am Schreibtisch geplanten und geforderten Vernichtung unglücklich war, hat man sich der Personen angenommen, die es nach Italien geschafft hatten. Für die aktuelle Regierung ist es eine große Schuld, lebend nach Italien zu kommen. Als Schuldige wurden jene Personen abgestempelt, die wie der Bürgermeister von :: Riace, Mimmo Lucano, an eine Welt glauben und für eine Welt kämpfen, in der die soziale Gerechtigkeit an erster Stelle steht, ohne dabei jemals jemanden zurückzulassen.

Was auf diesem Gebiet passiert, ist dramatisch. Viele Präfekturen führen die Schließung der überbelegten CAS* durch, ohne an eine gute Umsetzung zu denken. Um die Migrant*innen zu verstecken, bleiben jene CAS* geöffnet, die sich weit weg von den bewohnten Gebieten befinden. Die schrittweise Schließung der Zentren wird durch den Widerruf der Aufnahme von Inhaber*innen des humanitären Schutzstatus verwirklicht. Damit hat sich die Möglichkeiten auf eine Unterbringung in einem SPRAR* auf ein Minimum reduziert. Der Servizio Centrale (Zentraldienst) hat festgelegt, dass nur jene Eingliederungen gültig sind, die bis zum 4. Oktober erfolgt sind. Das heißt bis an dem Tag, an dem das Gesetzesdekret in Kraft getreten ist. Mehrere Polizeipräsidien haben die Ausstellung von Aufenthaltsgenehmigungen für international Schutzberechtigte in Erwartung auf Anordnungen von Oben ausgesetzt (einige bereits seit Monaten).

Wer seine Runde auf dem Karussell der italienischen Nicht-Aufnahme vollendet hat und es wagt, nach den Gründen zu fragen, der riskiert einen Widerruf oder eine Anzeige und bekommt vom Verantwortlichen des Zentrums zu hören: „Du bist nichts, du bist niemand, ich hänge dein Gesicht an die Wand.“ Damit halten die Verantwortlichen das aufrecht, was die auf Hass basierte politische Propaganda täglich sät.

Gerade volljährig gewordene Inhaber*innen eines humanitären Schutzstatus werden in dieser Phase nicht aus den Zentren für Minderjährige umgesiedelt. Auch sie sind dazu verdammt, die Reihe der Unsichtbaren länger werden zu lassen, die sich als Arbeitskräfte ausnutzen lassen.

Die Medien schweigen und trotzdem gehen die Ankünfte auf Lampedusa weiter, dort ist der :: Hotspot Imbriacola Gasse mit über 100 Insass*innen erneut überfüllt, einige Insass*innen sind gezwungen im Freien zu schlafen. Im Hotspot von Pozzallo befinden sich noch jene Personen, die im Juli von Bord gegangen sind und seither auf eine Weiterreise in ein anderes Land warten. In der Zwischenzeit sind sie :: großem psychologischen Stress ausgesetzt.

Der Hotspot von Trapani ist seit dem 1. Oktober offiziell ein Zentrum für den Verbleib bis zur Rückführung (CPR*). Die Präfektur hat die laufende Ausschreibung ausgesetzt und die Führung Badia Grande anvertraut. Die Genossenschaft hatte die Ausschreibung gewonnen bevor die Einrichtung ein Hotspot wurde und noch ein Zentrum für Identifikation und Abschiebung (CIE*) war. Vor zwei Tagen haben darin eingeschlossene Tunesier*innen, da ihnen der Zugang zu Internationalem Schutz unmöglich gemacht wurde, einen :: Aufstand organisiert, der von den Ordnungskräften niedergeschlagen wurde. Einige Tunesier*innen konnten trotzdem fliehen. Diejenigen, die nicht aus dem Zentrum geflohen sind, wurden zum Flughafen von Palermo, Falcone-Borsellino, gebracht. Von dort wurden sie in ihr Heimatland zurückgeführt.

In der Provinz von Trapani, in Alcamo, ist die Weinernte zu Ende und die Turnhalle wurde geschlossen. In Campobello hat unterdessen die Olivenernte begonnen. Wie erwartet sind hunderte Personen gekommen. Sie sind immer mehr versteckt und bereit sich ausnutzen zu lassen, und das mit der Zustimmung der Institutionen.
Der einzige Weg, um dem entgegenzuwirken, sind systematische Anzeigen, uns informiert zu halten, in der Lage sein faschistische Propaganda zu bekämpfen. Damit können jene Personen geschützt werden, die ein Leben suchen. Wir lassen uns nicht des-integrieren.

Alberto Biondo, Borderline Sicilia. Aus dem Italienischen von Elisa Tappeiner.

*SPRAR (Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo): Schutzsystem für Asylsuchende und Geflüchtete, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis (keine staatliche Verpflichtung), soll zur Integration von Geflüchteten dienen
*CAS (CAS – Centro di accoglienza straordinaria): Außerordentliches Aufnahmezentrum
*CPR (Centri di permanenza per il rimpatrio): Zentren für den Verbleib bis zur Rückführung
*CIE (Centri di identificazione ed espulsione): Abschiebungshaftzentren

:: Borderline Sicilia (12. Oct 2018)




Erster Einsatz von Mare Jonio: 70 Boat-people in Lampedusa gelandet (13. Oktober 2018)


Die italienische Küstenwache hat ein beschädigtes Holzboot mit 70 Migrant*innen an Bord, das am Freitag Vormittag in Libyen gestartet war, in den Hafen von Lampedusa eskortiert. Kurz nach der Ankunft konnten die Boat-people an Land. Der Rettung war ein stundenlanges Tauziehen zwischen italienischen und maltesischen Behörden vorausgegangen. Die Mare Jonio hatte den SOS-Ruf empfangen und die Seenotrettungsleitstellen beider Länder unter Druck gesetzt.

Das Beobachtungsschiff „Mare Jonio“ ist seit vergangener Woche auf See (:: siehe Ereignisse Teil 14). Die Crew an Bord will Eigenangaben zufolge die „dramatische Lage“ der Migrant(*inn)en auf der Flucht aufdecken. Die Initiative wird von einer Gruppe oppositioneller Parlamentarier(*innen) unterstützt. Das Schiff soll offiziell keine Rettungseinsätze durchführen, sondern die Situation vor der libyschen Küste beobachten und Zeugenberichte sammeln. Die deutsche NGO Sea Watch unterstützt das Projekt.

:: FFM-ONLINE :: msn (13. Oct 2018)


#unteilbar: Hundertausende in Berlin für Bewegungs*freiheit (13. Oktober 2018)



Mehr als 240 000 Menschen waren am 13. Oktober in Berlin auf der Straße für eine solidarische Gesellschaft, in der Menschenrechte nicht verhandelbar sind, heißt es in einem Statement der :: Seebrücke auf Facebook: "Unsere Gesellschaft ist eine Gesellschaft der Migration und das ist genau richtig so! Zehntausende waren im antirassistischen Block dabei für offene Grenzen, Bewegungsfreiheit und zivile Seenotrettung. Wir bauen keine Mauern. Wir bauen Brücken!"


:: borderline-europe zur #unteilbar Demo: "Für „Solidarität statt Ausgrenzung“ und eine „offene und freie Gesellschaft“ versammelten sich am 13.10.2018 knapp 242.000 Menschen auf den Straßen Berlins und setzten damit ein unüberhörbares und unübersehbares Zeichen für eine solidarische Gesellschaft. Aufgerufen dazu hatte ein breites Bündnis von über 450 Organisationen, Initiativen, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen, unter ihnen auch borderline europe. In dem Aufruf zur Demonstration heißt es unter anderem: "Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden. Wir halten dagegen, wenn Grund- und Freiheitsrechte weiter eingeschränkt werden sollen." Gemeint sind damit gleichermaßen die Kriminalisierung der Seenotrettung, umstrittene neue Polizeigesetze, der Abbau des Sozialstaats oder die Wohnungsnot, um nur einige der Inhalte zu nennen."




Petition // Wir müssen jetzt handeln! Für die Aquarius und zivile Seenotrettung! (14. Oktober 2018)


Wir, die Zivilgesellschaft, schließen uns der Besatzung der Aquarius an und fordern alle europäischen Staaten mit Nachdruck dazu auf, der Pflicht Menschen aus Seenot zu retten, nachzukommen. Die Aquarius ist das einzig verbliebene Rettungsschiff im Mittelmeer.
Wir fordern die Einhaltung internationalen Rechts und die Entkriminalisierung ziviler Seenotrettung. Wir rufen die Staaten Europas dazu auf:

    Alle Maßnahmen zu ergreifen, die es der Aquarius sowie allen anderen zivilen Seenotrettungsschiffen erlauben, ihren lebensrettenden Einsatz so schnell wie möglich fortzusetzen, der Pflicht nachzukommen, Menschen in Seenot zu retten, sowie durch den Aufbau eines europäischen Rettungssystems im Mittelmeer Verantwortung zu übernehmen.

Warum das wichtig ist:

Die Aquarius ist seit 31 Monaten im zentralen Mittelmeer im Einsatz und hat in mehr als 230 Rettungseinsätzen 29.523 Menschen gerettet.
In den letzten Monaten wurde mit allen politischen Mitteln gezielt versucht, die Rettungseinsätze der Aquarius zu stoppen. Dem Schiff wurde innerhalb eines Monats zweimal die Flagge aberkannt; zuerst von Gibraltar, dann von Panama.
Wenn die zivilen Rettungsschiffe ihre Einsätze nicht fortsetzen dürfen, sterben mehr Menschen vor den Toren Europas. Sie sterben ungehört und ungesehen, weil Europa beschlossen hat, die Augen vor der humanitären Katastrophe im Mittelmeer zu verschließen.
Wir rufen alle europäischen Staaten dazu auf, alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergreifen, damit die Aquarius weiter Menschen vor dem Ertrinken retten kann.
Wir fordern die unverzügliche Bereitstellung einer neuen Flagge für die Aquarius.


In den letzten Monaten wurden Seefahrer*innen und die Rettungsteams der zivilen Rettungsschiffe Zeug*innen todbringender politischer Entwicklungen im zentralen Mittelmeer. Diese Entwicklungen sind sowohl mit internationalem Recht, als auch mit dem Seerecht unvereinbar. Zivile Rettungsschiffe werden daran gehindert, Leben zu retten. Die Pflicht, Menschen aus Seenot zu retten, wird ignoriert; Solidarität und Menschlichkeit wird kriminalisiert.
Wir verurteilen zugleich den politischen Willen, Retter*innen und humanitäre Helfer*innen zu kriminalisieren.

Gemeinsam mit anderen zivilen Rettungsschiffen hat die Aquarius ihren Einsatz als Antwort auf das Versagen der europäischen Staaten begonnen. Diese haben bis heute keine angemessene Reaktion auf die humanitäre Tragödie im zentralen Mittelmeer gefunden. Das Mittelmeer ist damit zur tödlichsten Migrationsroute der Welt geworden.
Menschen, die vor den Menschenrechtsverletzungen in Libyen fliehen, müssen gerettet werden. Darüber hinaus ist es seit Juni 2018 keine Selbstverständlichkeit mehr, dass für gerettete Menschen ein sicherer Hafen bereitgestellt wird.
Voraussehbare und verlässliche Mechanismen auf See geretteter Menschen, um diese in einen sicheren Hafen zu bringen, müssen vorhanden sein.

Menschen sterben weiterhin. Wenn wir jetzt nicht handeln, sterben sie ungesehen.
Unterschreibe unsere Petition und unterstütze zivile Seenotrettungsorganisationen, gemeinsam humanitäre Werte und Menschlichkeit auf See aufrechtzuerhalten.


Unterstützen auch Sie uns und unterzeichnen die Petition :: hier!

:: SOS Mediterranée (14. Oct 2018)


Corasol: Öffentliches Gedenken an unsere Toten getötet an Europas Außengrenzen (15. Oktober 2018)


Am 15. Oktober veranstaltete Corasol, die Berliner Initiative gegen Rassismus und für Solidarität mit Geflüchteten, vor dem Brandenburger Tor eine Gedenkveranstaltung für all die Menschen, die an Europas Außengrenzen ums Leben gekommen sind; sei es in der Wüste, an Zäunen, in Lagern, durch Gewalt oder Suizid. Allein in diesem Jahr sind im Mittelmeer bisher mindestens 1700 Menschen ertrunken.

:: borderline-europe


Mare Jonio legt in Palermo an - Pressekonferenz „Mediterranea“ (16. Oktober 2018)


Die Mitglieder der Initiative Mediterranea haben ihre erste Mission abgeschlossen und sind nach Palermo zurückgekehrt. Ihr Schiff „Mare Jonio“ bleibt für einige Tage im Hafen der Stadt, um Vorräte und Ausrüstung aufzustocken, die Mannschaft abzulösen und dann schnellstmöglich wieder in See zu stechen. „Die Bilanz der ersten Tage ist extrem positiv, unsere Intuition hat sich als richtig erwiesen“, erklärt Alessandra Sciurba im Rückblick auf die ersten 12 Einsatztage der Mare Jonio. Bürgermeister Leoluca Orlando macht deutlich, dass die gesamte Stadt „mit an Bord“ sei. „Denen, die mich fragen, wie viele Migranten es in Palermo gibt, antworte ich: Keinen einzigen - wer nach Palermo kommt, ist Palermitaner!“

Erasmo Palazzotto, Abgeordneter des italienischen Repräsentantenhauses und Unterstützer von Mediterranea“ erklärt, inwiefern die Initiative die europäischen Regierungen vor eine Herausforderung stellt. „Wir mussten miterleben, wie die Frage der Seenotrettung zu einer bürokratischen Angelegenheit verkommen ist, bei der es nur darum geht, ob ein Schiffbruch sich innerhalb der pedantisch abgezirkelten Grenzen der eigenen Save-And-Rescue-Zone ereignet oder doch eine Seemeile weiter südlich. Dem gegenüber zählen die Personen auf den Booten in Not gar nichts.“

Sea Watch-Sprecherin Giorgia Linardi meint, dass das Retten von Menschen im Angesicht der Gefahr eine selbstverständliche, fast automatische Geste sei. „Ich glaube wirklich daran, dass wer auch immer eine im Ertrinken begriffene Person vor sich hat, eine helfende Hand ausstreckt, ganz automatisch, als würden sich die Muskeln von allein bewegen. Auf offener See werden keine politischen Fragestellungen erörtert. Auf offener See werden Menschenleben gerettet und in sichere Häfen gebracht.”

Auch Marta, eine 26 Jahre junge Jura-Absolventin und Aktivistin aus Rom kommt zu Wort. Sie berät Migrant*innen und stellt denen, die für ein würdiges Leben kämpfen, juristischen Beistand zur Verfügung. Bei Mediterranea mitzuwirken sei nicht nur um der Geretteten willen wichtig, sondern auch für die Beteiligten selbst. „Wir fahren aufs Meer, um uns gegen die widerlichen Dinge zu wehren, die Tag für Tag vor unser aller Augen passieren.“ Die Welle der Solidaritätsbekundungen mit Mediterranea hat innerhalb der Crowdfunding-Kampagne schon 150.000€ zusammengebracht (Stand 16.10.), erzählt Luca Casarini. Dann berichtet er von der Nacht des 12. Oktober, in der die Besatzung der Mare Jonio eine Navtext-Nachricht erhielt: In maltesischen Gewässern waren 70 Personen an Bord eines Schlauchboots in Seenot geraten. Rom und Valletta spielten eine Zeit lang die Verantwortlichkeiten hin und her. Erst auf das hartnäckige Drängen der Mare Jonio hin schritt die italienische Küstenwache ein und brachte die geretteten Personen nach Lampedusa. „Als wir hörten, dass diese 70 Menschen in Sicherheit gebracht werden konnten, war es, als würde das Meer uns anlächeln.“

„Das Risiko, nicht an diesem Projekt mitzuwirken, war höher als das der Teilnahme”, sagt Claudio Arestivo vom interkulturellen Restaurant und Sozialzentrum Moltivolti in Palermo. „Anderer Menschen Rechte zu schützen hat nicht mit Links oder Rechts, Katholisch oder Atheistisch zu tun, sondern ist einfach menschlich.“ Auch der Vorsitzende des städtischen Kulturrats Ouattara Ibrahima Kobena und die Schriftstellerin Evelina Santangelo vom Kollektiv Corpi kommen im Rahmen der Pressekonferenz zu Wort.

Giulia Antonelli, :: borderline-europe. Aus dem Italienischen übersetzt von Laura Strack.


Offener Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz (16. Oktober 2018)


Solidarität mit Ärzte ohne Grenzen zeigen

Wir wehren uns gegen die Kriminalisierung unserer humanitären Hilfe durch Bundeskanzler Sebastian Kurz und andere EU-Politiker. Unterstützen Sie uns dabei!

Lebensrettende Hilfe für Menschen in Not leisten – egal wo, unabhängig, unparteiisch, am Bedarf orientiert: So arbeitet Ärzte ohne Grenzen weltweit in über 70 Ländern. Doch in Europa gerät unsere Hilfe derzeit immer stärker unter Druck:

    Wie nie zuvor werden wir von Politikern und Politikerinnen angegriffen, weil wir Menschenwürde fordern und nicht wegsehen wollen, wenn Menschen leiden.
    Weil wir nicht akzeptieren wollen, dass Menschen im Mittelmeer sterben müssen.
    >Weil wir nicht tatenlos zusehen, wenn Männer, Frauen und Kinder in Libyen in schreckliche Lager eingesperrt werden – wo sie systematischer Gewalt, Folter und Versklavung ausgesetzt sind, ohne Aussicht auf Freilassung oder Rückkehr in Ihre Heimat.

Nun hat die Kriminalisierung unserer lebensrettenden Arbeit ein neues Ausmaß erreicht: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat Ärzte ohne Grenzen in einem Interview öffentlich unterstellt, bei unseren Rettungseinsätzen im Mittelmeer mit Schleppern zusammenzuarbeiten.
Wir wehren uns vehement gegen diese unbegründete Anschuldigung – und mit uns viele Menschen in Österreich, die uns per E-Mail und auf sozialen Medien ihre Solidarität bekundet haben. Wir haben Bundeskanzler Kurz bereits mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass wir die von ihm vorgebrachten Anschuldigungen nicht akzeptieren, und ihn aufgefordert, stattdessen endlich menschliche, nachhaltige Lösungen für die Lage am Mittelmeer und in Libyen voranzutreiben.




E-Mail an Bundeskanzler Kurz schreiben (16. Oktober 2018)


Schicken Sie Sebastian Kurz eine E-Mail, und zeigen Sie auf diese Weise Ihre Solidarität mit Ärzte ohne Grenzen. Fordern wir den Bundeskanzler auf, Menschenleben in den Mittelpunkt zu stellen. Fordern wir ein Europa, das Menschenleben schützt!

Kopieren sie den unten stehenden Text in eine Email. Diese adressieren Sie an: kabhbk (at) bka.gv.at (Emailadresse Sebastian Kurz)


Betreff: Ich fordere ein Europa, das Menschenleben schützt

Text:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kurz!

Ich schreibe Ihnen, um vehement gegen Ihre Anschuldigungen gegen Ärzte ohne Grenzen zu protestieren. Sie haben die Teams an Bord des Rettungsschiffs „Aquarius 2“ mit Schleppern gleichgesetzt und ihnen somit Straftaten vorgeworfen, ohne jedoch Beweise für Ihre gravierenden Vorwürfe vorzulegen. Zugleich haben Sie die Lage am Mittelmeer und in Libyen verharmlost, wo Menschen ertrinken und in alarmierendem Ausmaß Gewalt ausgesetzt sind.

Nicht erwähnt haben Sie, dass weder die österreichische Ratspräsidentschaft, noch die EU bisher menschliche, rechtskonforme, nachhaltige Lösungen für die Krise im Mittelmeer und in Libyen vorlegen konnten.

Herr Bundeskanzler, ich fordere Sie mit Nachdruck auf, es zu unterlassen, derartige Unterstellungen gegen Helfer und Helferinnen vorzubringen, deren Ziel die Rettung von Menschenleben ist. Ihre Anschuldigungen führen nicht nur dazu, dass ihre Arbeit behindert wird und somit mehr Menschen leiden; sie treiben auch die Polarisierung in unserer Gesellschaft voran.

Ich fordere Sie daher heute auf:
* Stellen Sie den Schutz von Menschenleben in den Mittelpunkt! Heuer sind bereits über 1.700 Menschen im Mittelmeer ertrunken; seit Rettungsschiffe von Politikern wie Ihnen an der Arbeit gehindert werden, ist die Wahrscheinlichkeit zu ertrinken, massiv gestiegen. Arbeiten Sie endlich an menschlichen Lösungen!
* Beenden Sie die Unterstützung von Rückführungen nach Libyen! Das Land befindet sich in einem Bürgerkrieg und ist nicht sicher. Es ist wiederholt dokumentiert, dass Flüchtende in libyschen Internierungslagern willkürlich eingesperrt werden und systematischer Gewalt, Folter und Ausbeutung ausgesetzt sind.

Herr Kurz, Sie haben mit ihrer Kriminalisierung von Ärzte ohne Grenzen eine Linie überschritten, die ich nicht hinnehmen möchte. Sie haben für Österreichs EU-Ratspräsidentschaft das Motto „Ein Europa, das schützt“ gewählt. Was ich und viele weitere Bürger und Bürgerinnen jetzt aber fordern, ist:
Ein Europa, das Menschenleben schützt.

Mit freundlichen Grüßen,

[Ihr Name]


:: Ärzte ohne Grenzen (16. Oct 2018)


[Statement] SOS MEDITERRANEE reicht nach gewaltsamem Angriff auf französische Geschäftsstelle Klage ein (18. Oktober 2018)


Nach dem gewaltsamen Angriff auf die französische Geschäftsstelle von SOS MEDITERRANEE in Marseille hat die Organisation in einer Pressekonferenz gestern bekannt gegeben, dass sie gegen die 22 Personen Anklage erheben wird, die am Freitag, den 5. Oktober, das Büro gestürmt haben.

Was ist passiert?

Am Freitag, den 5. Oktober 2018, stürmten gegen 14 Uhr 22 Personen gewaltsam das Büro von SOS MEDITERRANEE in Marseille. Drei Mitarbeitende, die aus dem Büro gezwungen wurden, konnten die Polizei rufen, während vier weitere Mitarbeitende im Inneren festsaßen. Die Eindringlinge entfalteten am Bürofenster ein Banner, entzündeten Leuchtfeuer und filmten die Szene. Während die Polizei vor Ort eintraf, wurden drei Mitarbeitende im Büro weiter gewaltsam festgehalten. Die 22 Angreifer wurden schließlich festgenommen und in Polizeigewahrsam genommen.

Juristische Maßnahmen

SOS MEDITERRANEE Frankreich hat gegen die 22 Angreifer inzwischen Anzeige erstattet, u.a. wegen Freiheitsberaubung und der Verbreitung von Gewaltbildern. Ein Team aus Rechtsanwält*innen der Anwaltskammern Paris und Marseille vertritt SOS MEDITERRANEE Frankreich und seine Mitarbeitenden vor Gericht.

Einschüchterungsversuchen entgegnen

Bislang hatte sich SOS MEDITERRANEE dazu entschieden, nicht auf die verschiedenen Provokationen, Einschüchterungsversuche und Diffamierungen durch extremistische Gruppen zu reagieren. Der einzige Zweck dieser Gruppen besteht darin, die Aufmerksamkeit von den wirklichen Problemen wie der anhaltenden humanitären Krise im Mittelmeer, dem Versäumnis der europäischen Staaten, auf diese humanitäre Katastrophe zu reagieren, und die weitreichenden Menschenrechtsverletzungen in Libyen abzulenken. Aber die Schwere des Vorfalls haben uns dazu veranlasst, juristische Schritte einzuleiten.

Trotz der Angriffe: Wir müssen unseren Rettungseinsatz so schnell wie möglich wiederaufnehmen

SOS MEDITERRANEE hat stets alle geltenden Gesetze eingehalten, sowohl an Land als auch auf See. Unsere Mission ist einfach: Menschen in Not zu retten und sie, wie vom internationalen Seerecht vorgeschrieben, in einem sicheren und nahegelegenen Hafen an Land zu bringen. Die Behinderung und Kriminalisierung unserer Arbeit muss aufhören: Die humanitäre Notlage im Mittelmeer ist nach wie vor ungelöst. Es ist an der Zeit, dass das Retten von Menschenleben Vorrang, vor jeglichen politischen oder ideologischen Erwägungen, hat. Mehr denn je sind die Menschen in Europa dazu aufgerufen, sich gemeinsam mit uns zu mobilisieren, das Grundrecht auf Leben zu verteidigen und uns zu helfen, unsere lebensrettende Mission so schnell wie möglich wieder aufzunehmen.

:: SOS Mediterranée (18. Oct 2018)


Libyen: Mehrzahl der Boat-people zurück in die Auffanglager (18. Oktober 2018)


Zum erste Mal übertrifft 2018 die Zahl der Boat-people, die von der libyschen Küstenwache in die Aufnahmelager zurückgebracht wurden, die Zahl derer, die Italien erreicht haben. Der Sprecher des UNHCR spricht von einem Wendepunkt. Zugleich hat sich der Trend der letzten Monate bestätigt, dass sich die Route nach Italien verlagert hat: von Tunesien nach Lampedusa und die Südwestküste Siziliens oder von der Türkei mit dem Segelboot nach Süditalien.

:: FFM-ONLINE :: La Repubblica (18. Oct 2018)


Marokko: 2 Jahre Haft wegen Protest gegen tödliche Schüsse auf Harragas (18. Oktober 2018)


In Tetouan wurde gestern Abend der 32-jährige Soufian Al-N. zu zwei Jahren Gefängnishaft verurteilt, weil er zu Protest gegen die tödlichen Schüsse auf Harragas am 25. September aufgerufen hat. Über 20 Weitere warten in gleicher Sache auf ihre Prozesse. Ein Kriegsschiff der marokkanischen Marine hatte am 25. September auf marokkanische Boat-people mit Schnellfeuer geschossen und dabei die Studentin Hayat Belkacem erschossen sowie drei Weitere verwundet. Unmittelbar darauf haben Fußballfans und Linke in Tetouan, der Herkunftsstadt von Hayat Belkacem, vor einem Fußballspiel sowie im Stadion gegen diese Repression demonstriert. Dabei schwenkte eine Person eine spanische Fahne, andere riefen dazu auf, dem marokkanischen königlichen Machtapparat sowie den Nationalstaaten eine Absage zu erteilen. Offensichtlich knüpften sie an die laufenden Demonstrationen von 10.000 bis 20.000 Slumbewohner*innen in Casablanca an, die in den Tagen zuvor gegen die blitzartige Massendemolierung ihrer Behausungen – durchgeführt mit Bulldozern, flankiert von Hubschraubern und Scharfschützen – protestiert hatten. Die Demonstrant*innen hatten ein Manifest aufgesetzt, in dem sie bekundeten, dass sie an der 400 km langen Küste in die spanische Stadt Ceuta wandern und dort um politisches Asyl nachsuchen wollten. Ihr Protestmarsch wurde polizeilich-militärisch gestoppt. Sie riefen ebenfalls Parolen gegen das königliche Machtzentrum und gegen die Nationalstaaten.

Neben Tetouan und Casablanca kam es in der Folge auch im Fußballstadion der südmarokkanischen Stadt Agadir zu Protestbekundungen der gleichen Stoßrichtung. Inzwischen befinden sich über 20 Personen diese Proteste von Tetouan bis Agadir in Haft, ihnen droht laut marokkanischen Massenmedien eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren.

:: IJURR (03. Oct 2018) :: Yabiladi (14. Oct 2018) :: Telquel (18. Oct 2018) :: Huffpost (18. Oct 2018) :: Yabiladi (18. Oct 2018) :: FFM-ONLINE (18. Oct 2018)