Am Sonntag, 2. Oktober 2016 findet in Ungarn ein Referendum statt, bei dem die Bevölkerung von der Regierung aufgerufen wird, gegen die Aufnahme von Flüchtlingen zu stimmen. Die EU-Staaten zeigen sich empört, doch diese Empörung ist geprägt von Scheinheiligkeit im 'christlichen' Europa.
Die Zahl neonazistischer und rassistischer Übergriffe in Europa ist rasant im Steigen. Oft werden jedoch nicht die rechte Politik und der faschistische Terror dafür verantwortlich gemacht, sondern jene, gegen die sich die Übergriffe richten. Ein Beispiel dafür ist die :: rassistische Menschenjagd in Bautzen, wo seit langem von mehreren Neonazi-Gruppen gegen Ausländer_innen gehetzt wird. Der Schritt zur Gewalt ist eine logische Konsequenz der andauernden Hetze, die von Politik, Polizei und Medien verharmlost wird. Anstatt konsequent gegen die rechten Umtriebe vorzugehen und antifaschistische Strukturen zu stärken, wird in gewohnter Weise eine Umkehrung betrieben: Die Angegriffenen werden zu Täter_innen stilisiert, von denen die Gewalt ausgehe. Als Konsequenz dieser Politik wurde für jugendliche Geflüchtete u.a. ein nächtliches Ausgangsverbot verhängt, was u.a. zu Jubel beim braunen Pack führte und ihnen ein Gefühl der Legitimation für ihr gewalttätiges Vorgehen gibt - und sie wohl zu weiteren Menschenjagden motiviert.
So bewertet der RAA Sachsen die "einseitige Zielrichtung" der egriffenen Maßnahmen in Bautzen folgendermaßen: "Als Unruhestifter werden die Geflüchteten gesehen, weil sie allein mit ihrer Präsenz bereits provozierten. Mit einem solchen Vorgehen bestärkt man die Angreifer in ihrem Handeln und macht die Betroffenen zu Tätern."
Ein Vorgehen, dass keine Seltenheit ist und auf den in Europa nach wie vor weit verbreiteten Rassismus aufbaut. So wie in Ungarn, wo sogar von der Regierung mit rassistischer und antiislamistischer Hetze gegen die Aufnahme von Geflüchteten Stummung gemacht wird.
Die Zäune an den Grenzen zu Serbien und Kroatien sind mittlerweile weltbekannt. Mit diesen will sich die Ungarische Regierung vor einem angeblichen "Ansturm" von Geflüchteten schützen. Dass dies nicht ohne Verweis auf rassistische Stereotype geschieht, ist kein Wunder. Denn immer wieder verweist der sich auf ein "cristliches Abendland" berufende Regierungschef Orban auf die "Gefahr des Terrorismus", den er vor allem mit muslimischen Einwander_innen in Verbindung bringt. So fand im Mai eine Briefbefragung statt, bei der "das Volk" gefragt wurden, ob "die durch Brüssel falsch gehandhabte Einwanderung im Zusammenhang mit der Zunahme des Terrorismus" stehe. Bei dem nun :: bevorstehenden Referendum wird gefragt: "Wollen Sie, dass die EU Ungarn ohne Zustimmung des Parlaments eine Ansiedlung nicht-ungarischer Staatsbürger[_innen] verpflichtend vorschreiben kann?"
Begleitet wird die von der Regierungspartei Fidesz initiierte Volksbefragung von einer massiven öffentlichen Hetzkampagne - finanziert aus Steuergeldern. Hier wird wiederum auf die Verknüpfung von Terror mit Flucht und Migration gesetzt. Der Terror der faschistischen Büger_innenwehren, der sich vor allem :: gegen Roma und Sinti richtet, ist freilich kein Thema, denn eben dieser wird durch den staatlichen Rassismus legitimiert und bestärkt. Denn, so argumentieren die rechtsextremen Politiker_innen in Ungarn, gehe es um die "schwerwiegenden Auswirkungen für den künftigen ethnischen sowie kulturellen Charakter unseres Landes - und auch ganz Europas", wie Janos Perenyi, ungarischer Botschafter in Österreich, gegenüber einer FPÖ-nahen Postille erklärte.
Die braun durchdrungene Nachfolgepartei der Nazis in Österreich bejubelt die Politik in Ungarn und sieht sich dadurch bestärkt. So wird das Referendum am 2. Oktober als Abstimmung "über die Zukunft" Ungarns hochstilisiert und als "ein innerhalb der Asyl-Krise bis jetzt bisher einmaliger Vorgang." In Wirklichkeit dient die Abstimmung eher der rassistischen Stimmungmache und als Ableknung von den wirklichen Problemen im Land.
Doch nicht nur die FPÖ ist mit der Abschottung Ungarns einverstanden. Die Regierung in Österreich unterstützt Ungarn mit Grenzwächter_innen. Größtes Problem, dass die Verantwortlichen in SPÖVP haben, scheint der Umstand zu sein, dass Ungarn keine Flüchtlinge "zurück nehmen" will, wie dies im Rahmen der :: Dublin-Abschiebungen heißt. Wurde anfangs noch kritisiert, dass Ungarn entlang der Grenzen zu Serbien und Kroatien Zäune und Stacheldraht aufzieht, stehen mittlerweile auch in Österreich mehrere :: Zäune an den Grenzen. Und wie in Ungarn geht dies mit einer Militarisierung sowie Verschärfungen der Asyl- und Fremdengesetzgebung einher.
Dem 'Notstand', der in Österreich wie in Ungarn mit einer angeblich zu hohe Zahl von Asylsuchenden begründet wird, liegen viel mehr die durch die Regierungen eingeführten Maßnahmen der :: Grenzregime zu grunde. Diese Maßnahmen stellen einen wirklichen Ausnahmezustand dar, verbunden mit einer Ausweitung der Befugnisse für Polizei und Militär sowie der Einschränkung von Freiheiten - insbesondere für Geflüchtete und Migrant_innen aus sog. Drittstaaten. Diese sollen daran gehindert werden, überhaupt europäisches bzw. EU-Territorium zu betreten. Und dafür werden keine Kosten und Mühen gescheut. Ein Hohn ist es, dass dies dazu benutzt wird, um die angebliche Humanität Europas zu beschwören. So wird u.a. argumentiert, dass der "Pakt" mit der Türkei dazu führen würde, dass weniger Menschen bei der :: Überfahrt über das Mittelmeer sterben. Die Wahrheit ist jedoch eine ganz andere: Nachdem es immer schwieriger wird, aus der Türkei nach Griechenland überzusetzen, werden viele dazu gezwungen, gefährlichere Wege zu gehen. Es ist kein Zufall, dass mehr und mehr Boote mittlerweile aus Ägypten ablegen. Die (Berichte von) Schiffsunglücke(n) mit zahlreichen Toten sind die logische Konsequenz der EU-Abschottungsmaßnahmen.
Nicht alle Menschen sind mit dieser Politik einverstanden, das ist bekannt, doch das Bild, welches über die kommerziellen Massenmedien verbreitet wird, zeichnet eine massive Zustimmung zum staatlichen Rassismus. Dies kommt nicht von Ungefähr und hängt u.a. damit zusammen, dass ebendiese Medien seit Jahren gegen Geflüchtete und Migrant_innen hetzen. Die Abschottung wird zynischer Weise als "humanitäre Maßnahme" bezeichnet, um Menschenleben zu "retten". Sie richte sich vor allem gegen das Geschäft von (kommerziellen) Fluchthelfer_innen - die im öffentlichen Diskurs als Schlepper_innen oder Menschenhändler_innen bezeichnet werden.
Wurde vor einem Jahr noch von einer "Willkommenskultur" berichtet, wird nun eine angebliche Abkehr von ebendieser beschworen. Menschen, die für eine Öffnung der Grenzen eintreten, werden in diesem Diskurs als "naiv" bezeichnet. Integration wird einzig und allein als Bringschuld von Einwander_innen verstanden, deren wichtigste Aufgabe es sei, sich in die Aufnahmegesellschaft einzufügen - sofern ihnen dies überhaupt gestattet wird. Denn vielen wird das Aufenthaltsrecht abgesprochen. Wenn sie nicht "freiwillig" gehen, dann droht die Ausweisung, kurz gesagt: das Geschäft mit Abschiebungen - :: der wahre Menschenhandel - boomt. Geldspritzen für korrupte Regime und Diktaturen inbegriffen.
Wie auch immer die Volksbefragung in Ungarn ausgeht - eine massive Zustimmung wird vorhergesagt - und egal wie viele Menschen sich daran beteiligen, ihre Funktion erfüllt sie allemal: Eine massive rassistische Hetze, die den Weg ebnet für eine weitere Faschisierung der Gesellschaft.