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[ 14. Sep 2015 ]

Grenzkontrollen, Assistenzeinsatz, Ausnahmezustand

Unterwegs - Foto von Balazs Turay

Nach den Wochen der Solidarität beschließen die Regierungen in Österreich, Deutschland und der Slowakei eine weitere Zuspitzung des Ausnahmezustandes - samt Einsatz von tausenden Polizist_innen und Militär zur Kontrolle der Grenzen. Sie unterstützen damit die Abschottungsmaßnahmen in Ungarn und zeigen ihr wahres, ihr rassistisches Gesicht.

 


Als der Zaun wackelte


Quer durch Europa sprachen sich 100.000e Menschen in den vergangenen Wochen gegen die rassistische Migrations- und Asylpolitik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten aus. Sie gingen auf die Straße, organisierten praktische Hilfe für Ankommende und Durchreisende oder halfen ihnen, ein Stück ihres Weges zu gehen.

Den Regierenden wurde klar vor Augen geführt, dass viele Menschen in Europa nicht mehr einfach zusehen, wie Menschen an den Außengrenzen wie im Inneren der Festung von den Behörden und Grenzwächter_innen unmenschlich behandelt werden, und die errichteten Zäune und Mauern dafür sorgen, dass viele ihr Leben verlieren. Die Unterstützung an den Migrationswegen und Bahnhöfen, praktische Hilfeleistung, Solidarität und aktive Fluchthilfe brachten das :: Grenzregime zum Wackeln und stellten das absurde :: Dubliner Abkommen einmal mehr in Frage.

Es war und ist gelebte Solidarität zwischen Menschen. Doch diese Solidarität geht den Herrschenden zu weit. Sie haben beschlossen, die Grenzen zu schließen und schränken damit die Freiheit aller ein Stück weiter ein. Damit sind nicht nur die eingestellten Zugverbindungen oder die bis zu 20 km langen Staus an den Grenzen gemeint, sondern vor allem die Grundrechte, die mehr und mehr beschnitten werden.


Kurzer Rückblick


Es war in den 1990er Jahren, als Österreich das Bundesheer ins Burgenland und später auch nach Niederösterreich schickte, um die Grenzen zu 'sichern' und Menschn zu jagen. Ja, es war eine Menschenjagd, an der sich über Jahre hinweg zehntausende Grundwehrdiener beteiligten. Dass nicht alle mit der Situation zurecht kamen, zeigen mitunter die zahlreichen Selbstmorde im Rahmen des Assistenzeinsatzes. Doch viele hatten Spaß dabei, die aufgegriffenen Menschen wie Vieh auf den LKWs zu verladen(*) und zu den eingerichteten Sammelstellen zu bringen. Dort übergab das Bundesheer die gefangenen Menschen an die Polizei. Dass allen Menschen, die Asyl verlangen, erst mal Schutz gewährt werden muss, was allen klar, doch viele der Staatsdiener_innen, die den rassistischen Auftrag vollstreck(t)en, überhör(t)en nur zu gerne das Wort Asyl. Ein klarer Verstoß gegen Menschenrechte. Und dass Menschenrechte für Politiker_innen in der EU nur einen begrenzten Wert haben, sollte mittlerweile allen klar sein: Denn jenen, die über keine Rechte verfügen, denen fundamentale Rechte entzogen werden, können für diese Menschen die Menschenrechte überhaupt Gültigkeit haben? Jede_r soll diese Frage für sich selbst beantworten!


Rassistischer Hetze folgen Taten


Jedenfalls ist es nicht zu verwundern, dass nun Politiker_innen aus allen politischen Lagern die Gelegenheit nutzen, um der seit Jahren praktizierten Hetze rassistische Taten folgen zu lassen. Die Landeshauptleute von Burgenland, Nieder- und Oberösterreich verlangen seit Jahren die Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Vor allem Burgenalnds Niessl (SPÖ), der seit den letzten Wahlen mit der offen rassistischen FPÖ koaliert, hetzt seit langem gegen die 'offenen Grenzen' und fordert eine Wiedereinführung des Assistenzeinsatzes. Die Regierungsspitze, bestehend aus Bundeskanzler Faymann (SPÖ) und seinem Vize Mitterlehner (ÖVP), hat bekannt gegeben, dass bis zu 2200 Soldaten über einen Assistenzeinsatz die Polizei bei Grenzkontrollen unterstützen werden. Bereits morgen sollen erste Vor- und Erkundungskommandos in die Einsatzräume geschickt werden. Die Grenzen würden nicht komplett dicht gemacht, es werde aber verstärkt kontrolliert. Der Einsatz der Soldaten beschränke sich nicht auf die burgenländische Grenze zu :: Ungarn, da damit gerechnet wird, dass viele Menschen versuchen werden, über Kroatien und Slowenien einzureisen, wenn Ungarn Dienstag, 15. September 2015 die Grenze dichtmacht.

An diesem Tag treten in Ungarn :: neue Gesetze in Kraft, die den heimlichen Grenzübertritt kirminalisieren, es drohen dreijährige Gefängnisstrafen. Weiters beinhaltet das Gesetzespaket eine Einschränkung der Stellung eines Asylantrages, der nur noch an speziellen Punkten unmittelbar an der Grenze möglich sein wird. Weiters soll Serbien zum 'sicheren Drittland' erklärt werden, um 'Rückschiebungen' noch einfacher zu machen. Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes wird einerseits der Zaun an der Grenze zu Serbien mit :: zusätzlichem Stacheldraht verstärkt, andererseits werden tausende Flüchtlinge, die in den diversen Lagern in Ungarn aufgehalten wurden, derzeit an die Grenze zu Österreich gebracht, die sie zu Fuß überqueren müssen.

Die österreichische Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP) reiste am Montag extra nach Brüssel, um die EU-Kommission über die Pläne der österreichischen Regierung zu informieren. Demnach werden wie von Deutschland "temporäre Grenzkontrollen" eingeführt - als Reaktion auf die derzeitige "Flüchtlingskrise". Die Ministerin beruft sich dabei auf europäisches Recht: Das :: Schengener Übereinkommen gestatte temporäre Grenzkontrollen direkt an der Grenze.

Doch nicht nur Österreich und Deutschland starteten mit der Kontrolle der Grenzen, auch die Slowakei hat Kontrollen an den Grenzen zu Österreich und Ungarn eingeführt. Laut Innenministerium in Bratislava sei dies eine Reaktion auf :: die Schritte Deutschlands, das derartige Maßnahmen bereits am Sonntagnachmittag einführte.

Verstärkte Kontrollen an der Grenze zu Österreich gibt es auch in der Tschechischen Republik. Laut Auskunft des tschechischen Außenministers Lubomir Zaoralek werde Tschechien derzeit nicht mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen beginnen, die Fremdenpolizei hat jedoch 200 Polizist_innen an die Grenze zu Österreich beordert, die an drei Stellen den Eisenbahnverkehr und an elf Stellen den Straßenverkehr kontrollieren werden. Laut 'Der Standard' gehen tschechische Behörden davon aus, dass viele Menschen nun verstärkt versuchen werden, durch Tschechien nach Deutschland zu kommen.

Es ist wie eine Kettenreaktion: Während an einer Grenze die Zäune höher gezogen werden, werden an anderen Stellen neue Zäune bzw. Kontrollen errichtet. Ein tödliches Spiel unter rassistischen Schreibtischtäter_innen a la: Wer hat noch mehr restriktive Maßnahmen auf Lager?


Humanismus und Realität


Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die internationale Presse in den vergangenen zwei Wochen insbesondere Deutschland und Österreich für ihre Maßnahmen lobten und als menschliche Länder darstellten, die bereit seien, Flüchtlingen zu helfen. Dabei wurden immer wieder die Initiativen von zahlreichen Menschen erwähnt, die an den Reiserouten aktive Hilfe leisteten und ankommende bzw. durchreisende Menschen willkommen hießen. Ihre Aktivitäten dienten der Weltpresse, um Europa als menschlichen Ort zu präsentieren, an dem Flüchtlinge willkommen geheißen werden. Und ja, es sind viele, die Migrant_innen und Flüchtlinge willkommen heißen. Vergangenen Samstag beteiligten sich an mehr als 100 Protesten in 30 Ländern 100.000e Menschen im Rahmen des Aktionstage für Flüchtlinge bzw. ein offenes Europa unter dem Motto :: EuropeSaysWelcome.

Dass Österreich(**) und :: Deutschland zu jenen Ländern gehören, die immer wieder Verschärfungen der :: Migrations- und Asylpolitik auf europäischer Ebene fordern, wird dabei gern vergessen. Ebenso der massive Druck auf Ungarn, damit dieses Land die Dublin III Richtlinie umsetzt und die einreisenden Flüchtlinge und heimlichen Grenzgänger_innen registriert und ihre Fingerabdrücke in der EURODAC Datenbank speichert.

Sinn dieser Maßnahme ist, die Zuständigkeit für Asylverfahren in der EU zu regeln. Sobald in einem EU-Staat ein Asylantrag gestellt wurde, kann in keinem anderen Staat Asyl beantragt werden. Doch selbst wenn kein Asylantrag gestellt wird, immer wir jener 'sichere' Staat als zuständig gesehen, der von Menschen auf der Flucht als erstes betreten wurde. Egal ob die Flüchtenden ein bestimmtes Ziel vor Augen haben oder nicht, sobald ihnen unterstellt wird, sie seien in Sicherheit, wird ihr Recht auf Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Oft werden sie in diversen Lagern, die sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU befinden, eingesperrt.


Keine Sicherheit


Angesichts der Entwicklungen in Ungarn stoppte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in Österreich nun eine Abschiebung nach Ungarn. Die gesetzliche Vermutung, dass Ungarn für Flüchtlinge sicher ist, bestehe derzeit nicht mehr, hieß es in einer Aussendung. Laut VwGH darf aufgrund der drohenden Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention oder der Grundrechtecharta der EU keine Überstellung erfolgen. Ein Sprecher des VwGH erklärte gegenüber der APA, dass hier in einem Einzelfall entschieden worden sei. Es handle sich aber um eine "Richtschnur", an der sich Behörden in vergleichbaren Fällen orientieren.

Dass Flüchtlinge in Ungarn keine Sicherheit genießen, ist seit Jahren bekannt, wird immer wieder thematisiert und hat zu zahlreichen Verfahren vor europäischen Gerichten geführt. Die Aussetzung der Dublin III Regelung durch Deutschland für Flüchtlinge aus Syrien vor ein paar Wochen erfolgte aufgrund ebendieser unsicheren Lage in Ungarn. Durch die neuen Gesetze und die Kriminalisierung der heimlichen Einreise wird die Unsicherheit weiter verschärft.

Doch selbst in Österreich oder Deutschland sind viele Menschen nicht sicher. Viele Menschen aus Kriegsgebieten sind permanent mit Abschiebung bedroht - entweder in einen Dublin oder einen 'sicheren Drittstaat', manchmal sogar dirket ins Kriegsgebiet. Zahlreiche Abschiebungen in den Irak und nach Afghanistan sind dokumentiert, teilweise werden diese :: mit Charter- oder Militärflugzeugen durchgeführt - unter Ausschluss der Öffentlichkeit.


Heuchler_innen


In der aktuellen Diskussion über die Einführung der Grenzkontrollen entlang der Reiserouten vom Balkan nach Zentraleuropa zeigen die Rassist_innen erneut ihr wahres Gesicht. Hatten viele von ihnen noch vor wenigen Wochen :: via Bild-Zeitung gegen "Flüchtlingshass" heuchelten, betonen nun Politiker_innen wie CSU-Chef Horst Seehofer, dass ihre Humanität und Solidarität Grenzen habe. Er will das sagen wollen, ohne dafür in eine (rechte) Ecke gestellt zu werden. Dass er sich selbst ebendort positioniert, dürfte ihm entfallen sein. Und auch für die von vielen in den vergangen Wochen bewunderte deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist die Phase der Solidarität "zeitlich begrenzt". Mit der Kontrolle der Grenzen zu Österreich, über die zuletzt 10.000e Geflüchtete nach Deutschland reisten, wollen die Politiker_innen u.a. darauf hinweisen, dass Deutschland nicht alleine für die Flüchtlinge zuständig sei. Eine sinnlose Argumentation. Denn die Einführung von Grenzkontrollen wird lediglich dazu führen, dass Menschen erneut dazu gezwungen werden, gefährliche Wege zu gehen. Und wie wir wissen bedeutet dies, dass die Anzahl der Toten steigen wird. Ob dies die Politiker_innen betrifft?

Andreas Görg schrieb in seinem Kommentar :: Refugeeeeees auch über das Befinden von Politiker_innen: "Sie wollen nicht als Schreibtischtäter_innen in die Geschichte eingehen. Eine weitere Verschärfung des ohnehin schon unerträglichen Grenzregimes mittels Zäunen und Schießbefehl fühlt sich für sie nicht richtig an." Und trotzdem: Immer wieder führen uns ebendiese Politiker_innen vor Augen, dass sie - schlechtes Gefühl hin oder her - bereit sind, mit Menschenleben Politik zu machen. Nach einem tragischen Ereignis werden für kurze Zeit die Grenzen geöffnet, wird einigen Menschen die Einreise nach Europa bzw. die Weiterreise innerhalb von Europa erleichtert, um in der Folge mit noch restriktiveren Maßnahmen die Mauern und Zäune noch höher zu ziehen.


Grenzen dicht?


Am Nachmittag hat Ungarn die Grenze zu Serbien endgültig dicht gemacht, das letzte offen Stück bei Bahngleisen in :: Röszke wurde geschlossen. Diversen Informationen von Medien und sozialen Netzwerken zufolge können kaum noch Menschen von Serbien nach Ungarn einreisen.
Um den Ausnahmezustand noch mehr zu forcieren, werden nun auch Helfer_innen, die in den vergangenen Wochen ohne jegliche Unterstützung von staatlicher Seite tausende Menschen mit dem notwendigsten versorgten an ihrer Arbeit gehindert. Nachdem Medien bereits am frühen Nachmittag berichteten, dass die Grenze zwischen Österreich und Ungarn geschlossen wurde, wurde am Nachmittag des 14. September um 15:15 Uhr via Facebook bestätigt, dass die Grenze nach Ungarn gesperrt wurde:

Die Polizei lässt anscheinend niemand mehr zu den Lagern. Sie wollten erst nach Röszke oder Hegrschalom, hat aber nicht mehr geklappt.
Das Lager in Röszke scheint aber doch immer noch nicht geräumt zu sein.
Und nun stehen die drei in Nickelsdorf an der Raststation und sind doch am Brennpunkt in Europa angekommen, wo sie morgens doch hinwollten.
Die Lage ist total unübersichtlich, die flüchtenden Menschen kommen von Hegrschalom zu Fuß über die Autobahn, die alte Grenzstrecke und werden von der ungarischen Polizei eskortiert. Auf dem Weg werden Hilfeleistungen untersagt, erst in Nickelsdorf dürfen die Menschen versorgt werden.
Dani sagte am Telefon, dass die Menschen, die sie da jetzt getroffen haben (auch Familien) eigentlich keine Kleidung brauchen, auch nicht unbedingt Essen, aber einen Platz zum Schlafen und sie möchten absolu gern duschen.
Das Bundesheer dürfte noch ein zusätzliches Camp aufgebaut haben. Es scheint schwierig, die Hilfe zu koordinieren, weil aktuell einfach so viele Menschen in Nickelsdorf angekommen sind und immer noch kommen.
Vor allem möchten die Menschen einfach nur für eine Nacht ausruhen und dann weiter, nach wie vor vor allem Richtung Deutschland. Sie sind verwirrt und verängstigt, wissen nicht, wem sie glauben können und was von den Informationen jetzt stimmt. Sie möchten nicht in die Camps, weil sie fürchten, dann nicht mehr weiterreisen zu können.
Dani, Bettina und Lois raten ihnen, trotzdem in die Camps zu gehen und bloß nicht in ein Taxi zu steigen, weil die viel kosten und sie auch nicht nach Deutschland bringen können, weil die Lage momentan auch so unklar ist.
Der Wunsch nach einer friedlichen Welt und Solidarität ist groß. die Überlastung der Helfersysteme evident und auch verständlich. Alles Gute allen, die hier wirksam werden (wollen)!


Angesichts der sich ständig änderden Situation und unterschiedlicher Informationen ist es schwer, einen genauen Überblick über die Lage zu geben. Allerdings scheint sich abzuzeichnen, dass am Vortag des Inkrafttreten der neuen Gesetze in Ungarn neue Fakten geschaffen werden. Den Wochen der Solidarität könnten Wochen der Repression folgen, begleitet von rassistischer Stimmungsmache vieler Medien und Politiker_innen. Ob sich all die Menschen, die sich zuletzt mit Geflüchteten und Migrant_innen erklärten und sie willkommen hießen durch diese Maßnahmen von weiterem Engagement abhalten lassen, wird sich zeigen.


Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört!


Österreich und Deutschland zählen zu den wohlhabensten Ländern der EU. Es gibt genügend Resourcen, um Geflüchteten zu helfen, sich ein neues Leben aufzubauen, doch meist fehlt die Bereitschaft, diese zur Verfügung zu stellen. Diese fehlende Bereitschaft der Staaten führte in den letzten Wochen dazu, dass sich vielerorts Initiativen aus den Zivilgesellschaften bildeten, um praktische Hilfe zu leisten, was durchaus zu begrüßen ist. Doch darf diese Hilfsbereitschaft nicht damit enden, Essen, Kleidung und Schlafülätze zur Verfügung zu stellen. Sie muss weiter gehen, um sich zu einer politischen Bewegung zu entwickeln. In einem :: Kommentar erinnerten uns der "International Women's Space" Berlin daran, dass Unterstützung, Hilfe und Charity das System nicht ändern werden, sondern viel mehr die Idee eine humanen Europas verfestigen, die definitiv nicht der Realität entsprechen kann, denn sonst würden keine Menschen im Meer ertrinken.

    "Support, help and charity won't change the system, they tend to perpetuate the idea of a humanitarian Europe, which is definitely not the case or human beings wouldn't be dying in the sea."

Die Gründe, warum Menschen nach Europa wollen, sind sehr vielfältig und sie sind eng verbunden mit der Geschichte von Ausbeutung und Unterdrückung. Solange Menschen in ihren Ländern keine Perspektiven haben, sehen viele kein anderes Ziel vor Auge, als ins "gelobte Europa" zu gelangen. Wir leben nach wie vor in einer Welt, die bestimmt ist von einer kolonialen Ordnung. Für viele Menschen sind Hunger, Kriege, Armut oder das Leben in einer Diktatur Realität. Und diese Realitäten haben ihren Ursprung in einem System der Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Diese Ungerechtigkeit muss ein Ende haben. Wenn Europa für sich beansprucht, die Menschenrechte zu achten, dann sollte dies auch endlich Realität werden.

Dann müssen die Zäune nieder gerissen werden, anstatt ständig neue zu errichten. Damit Bewegungsfreiheit endlich Realität werden kann. Dann müssen die Lager geschlossen werden, anstatt neue zu erreichten. Damit Menschen endlich in Freiheit leben können. Es braucht eine bedingungslose Umsetzung von Bewegungs- und Bleibefreiheit. Für alle und überall!




Anmerkungen


(*) Diese Aussage bezieht sich auf Gespräche mit Grundwehrdienern im sog. Assistenzeinsatz Anfang der 1990er Jahre, die mit Lachen im Gesicht erzählten, wie sie die aufgegriffene Personen nach dem irregulären Grenzübertritt gefangen nahmen und auf die bereitgestellten LKWs "trieben". Wir können nicht sagen, wie viele der Grenzwächter derart agierten, doch wissen wir, dass es zu viele waren - und dass viele von ihnen wohl heute zu jenen zählen, die die Schließung der Grenzen befürworten und ein rassistisches Europa gutheißen.
Die Berichte von Geflüchteten und Beobachter_innen über das Verhalten von Polizei und Militär an der Grenze zwischen Ungarn und Serbien erinnern an die Erzählungen aus dem österreichischen Assistenzeinsatz vor mehr als 20 Jahren.

(**) Zur Rolle Österreichs Anfang der 1990er Jahre als eines der Vorreiter_innen in Sachen restriktiver Asylpolitik und lückenloser Überwachung der Schengen-Außengrenzen siehe :: Flüchtlings- und Asylpolitik in Österreich, in TATblatt +102 vom 24. September 1998.